Le Roi C’est Nous

MODELLING - MEDIAEFFIZIENZ QUANTIFIZIEREN

von Dr. Alexander Preuß, Director BrandScience, Omnicom Media Group Germany

Ökonometrisches Modelling ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das angewendet wird, um Veränderungen einer Zielvariablen (meistens eine unternehmensrelevante Größe wie z. B. Markenbekanntheit oder Absatz) im Zeitverlauf durch eine Kombination von Variablen zu erklären. Eine besondere Bedeutung unter den erklärenden Variablen kommt den beeinflussbaren Variablen aus den Bereichen Marketing (z. B. Preise, Promotions) und Kommunikation zu.

Der methodische Kern des Ansatzes, die multiple Regression, wurde bereits 1908, also vor mehr als 100 Jahren, erstmals von Karl Pearson erwähnt1. Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts statistische Methoden in der Ökonometrie eingesetzt wurden, kamen seit den 1930er Jahren ökonometrische Modelle zur Analyse von Zeitreihen zum Einsatz, um wirtschaftliche Zusammenhänge zu beschreiben2. In den 1970er Jahren schließlich wurden Verfahren zur zeitlichen Verteilung der Kommunikationsmaßnahmen („Carry-Over“ bzw. “Adstock“) beschrieben3, so dass die methodischen Grundlagen aus Sicht der Werbeforschung nun komplett waren.

In diesem Artikel soll zunächst dargestellt werden, welche Ergebnisse und Erkenntnisse zur Mediawirkung durch Modelling fallübergreifend bislang generiert werden konnten. Im zweiten Teil wird dargestellt, welche Besonderheiten sich in der Untersuchung bzw. Berücksichtigung digitaler Zielgrößen und Medien ergeben.

I. Übergreifende Ergebnisse

In mehreren hundert Modelling-Projekten seit dem Jahr 2000 hat BrandScience, die unabhängige Forschungsunit der Omnicom Media Group (OMD / PHD), untersucht, welche Faktoren den Absatz von Produkten beeinflussen und welche Möglichkeiten bestehen, die Kommunikationseinsätze zu optimieren. Obwohl jedes Projekt fallindividuell durchgeführt wurde, ergeben sich bei übergreifender Betrachtung aller Fälle einige interessante Zusammenhänge, die BrandScience im Rahmen zweier von IP Deutschland 2012 und 2013 in Auftrag gegebenen Studien ermittelt hat

Exemplarisch werden fünf fallübergreifende Ergebnisse aus dieser Studie näher dargestellt

I.I Die Effektivität der Medien

Durchschn.Absatz-Zusammensetzung nach Branche, Quelle: BrandScience | IP Deutschland

Im Rahmen eines Modelling-Projekts wird erklärt, in welcher Stärke die einzelnen identifizierten Treiber aus den Bereichen Marketing, Media und Saison zur Entwicklung des Absatzes beitragen. Neben diesen Treibern gibt es allerdings – zumindest für etablierte Produkte einen weiteren Anteil, die sogenannte Baseline. Die Baseline ist der Anteil des Absatzes, der nicht kurz- oder mittelfristig durch Marketing und Kommunikation beeinflusst wird. Die Baseline kann daher in gewisser Hinsicht als „Markenstärke“ identifiziert werden. Im Ergebnis erklärt Kommunikation durchschnittlich 11 % der Absätze bei FMCGs und durchschnittlich 15 % der Absätze bei Non-FMCGs und damit in den meisten Branchen mehr als Promotions am POS. TV hat hier dem hohen Anteil am Media-Mix entsprechend den höchsten Anteil (7 % bei den FMCGs bzw. 8 % bei den Non-FMCGs).

I.2 Die Effizienz der Medien

Das härteste Kriterium in puncto Effizienz ist der sogenannte Return on Investment (ROI). Diese Kennziffer wurde erstmals 1919 ein- gesetzt4. Auf Basis des Datenmodells wird der Anteil der jeweiligen Medien an der Entwicklung des Umsatzes ermittelt. In unserem Sinn ist der ROI dieser Umsatzanteil, geteilt durch die Mediakosten. Die Darstellung erfolgt auf Basis von Bruttowerten.

Der ROI hängt maßgeblich von der Höhe des Werbedrucks ab: Je höher der Werbedruck, desto höher der generierte Umsatz. Es zeichnen sich aber Grenznutzeneffekte ab, so dass der Zusatzumsatz ab einem bestimmten Werbedruck langsamer wächst als die Kosten. Insofern verwundert es nicht, dass für Medien, die im Mix mit TV bei kleineren Budgets eingesetzt werden, im Ergebnis ein höherer ROI erzielt wird.

Durchschn. ROI nach Medium für FMCGs

Allerdings ist der ROI für TV im Mono-Einsatz üblicherweise höher als für andere Medien im Mono-Einsatz. Es zeigt sich klar, dass TV im Mix als „Beschleuniger“ für die Wirkung der anderen Medien wirkt.

I.3 Return on Investment nach Branche

Durchschn. ROI nach Medium für FMCGs

Der für FMCGs dargestellte Media-Mix-Effekt zeigt sich entsprechend in anderen Branchen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der ROI nicht nur vom Produkt und weiteren Rahmenbedingungen wie z. B. der Kreation abhängt, sondern maßgeblich auch von der Branche.

FMCGs haben üblicherweise ein kleineres Umsatzpotential als Non- FMCGs wie z. B. Telekommunikationsprodukte. Hierdurch erklärt sich der durchschnittlich fast viermal höhere ROI für die Non-FMCGs.

Werden die Bereiche noch einmal detaillierter betrachtet, so zeigtsich der höchste ROI im Bereich Handel.

I.4 Nebeneffekte der Werbung

Im Rahmen eines Modelling-Projekts wird die relative Preisstärke, die sog. Preiselastizität, ermittelt. Hierfür wird untersucht, um wie viel Prozent sich der Absatz verringert, wenn der durchschnittliche Preis um 1 % erhöht wird.

Betrachtet man nun die durchschnittlichen Preiselastizitäten innerhalb einer Branche nach Werbedruck (hier: TV-Werbedruck pro Jahr), so zeigt sich ein klarer Zusammenhang: Produkte, die mit einem höheren Druck beworben wurden, haben die geringere Preiselastizität.

TV-Werbung trägt also dazu bei, den Einfluss des Preises zu verringern.

Preiselastizität geringerem vs.höherem TV-Werbedruck

I.5 Werbung trägt zum Erfolg von Launches bei

WirkungTV-Werbung auf Launch-u.etablierte Produkte

Bei gesonderter Betrachtung von Produktlaunches und etablierten Produkten fällt ein deutlich höherer Anteil der TV-Werbung an der Zusammensetzung des Absatzes für die Launches auf. Relativ gesehen wird zwar der Mediaanteil an der Sales Decomposition bei den etablierten Produkten kleiner, absolut gesehen ist jedoch der durch Media generierte Absatz dort höher, so dass sich der ROI für TV im Mittel mehr als verdoppelt. Gleichzeitig steigt die sogenannte Base- line (s. o.) bei etablierten Produkten deutlich an. Wir können also auch darauf schließen, dass TV einen maßgeblichen Anteil am Aufbau der Baseline hat.

I.6 Fazit

Kommunikation – vor allem nach wie vor TV – ist ein maßgeblicher Bestandteil, um die Absätze eines Produkts wirkungsvoll zu unter- stützen:

  • Kommunikation ist im Durchschnitt für deutlich mehr als 10 % des Absatzes verantwortlich.
  • TV ist der größte Treiber innerhalb des Kommunikationsmixes – TV verstärkt die Wirkung der im Mix eingesetzten Medien.
  • Der Erfolg im Sinne des ROIs kann aber niemals unabhängig vom Kontext betrachtet werden: Unterschiedliche Branchen mit unter- schiedlichen Umsatzpotentialen generieren unterschiedliche ROIs.
  • Es gibt „Nebenwirkungen“: Kommunikation hilft, Preiseffekte abzuschwächen.
  • Ein langer Atem zahlt sich aus: Kommunikation baut eine Marke langfristig auf, die „Ernte“ ist der höhere ROI, den die Kommunikation langfristig generiert.

2. Modelling im digitalen Zeitalter

Natürlich spielen neben Marketing-Instrumenten heutzutage auch klassische Medien nach wie vor eine große Rolle. Modelling wird allerdings verstärkt eingesetzt, um auch die Wirkung digitaler Medien zu ermitteln.

2.1. Die Wirkung von SEM

Für die im Modell nachgewiesenen Effekte muss immer berücksichtigt werden, dass das Datenmodell eine Vereinfachung der Realität darstellt und nur die stärksten Einflüsse ausweisen kann. Nicht alle Variablen können im Modell berücksichtigt werden, sondern immer nur diejenigen, die einen im statistischen Sinn signifikanten Beitrag leisten (je nach Zahl der Datenpunkte typischerweise bis max. 20 Einflussgrößen). Es fließen immer nur Variablen ein, die einen im statistischen Sinn signifikanten Beitrag leisten – praktisch heißt dies, dass „kleine“ Werbemaßnahmen (z. B. eine einzige Anzeige im betrachteten Zeitraum) in der Regel nicht nachgewiesen werden können.

ROI SEM vs. restliche Medien

Nachdem Online in den vergangenen Jahren eine immer größere Bedeutung am Media-Mix erlangt hat, ließen sich ab ca. 2005 in den Modellen erstmals die Effekte der Online-Werbung nachweisen. Seit ca. 2010 ist es möglich – wiederum in Abhängigkeit des „kritischen Werbedrucks“ – weiter ins Detail zu gehen. So stellt heutzutage z. B. in vielen Fällen der separate Nachweis von Display und Bewegtbild kein Problem dar. Ebenso ist der Nachweis der Effekte durch SEM möglich.

Online gesamt (siehe oben 1.2 ROI, hier mit einem hohen Anteil an Display) generiert einen vergleichsweise hohen ROI, ca. 3,6-mal höher als der ROI von TV. Während dies dadurch erklärt werden kann, dass einerseits Mixeffekte zum Tragen kommen, andererseits aber die Budgets im Gegensatz zu TV deutlich geringer waren, so dass noch keine stärkeren Grenznutzeneffekte auftreten, ist der ROI für SEM typischerweise noch einmal deutlich höher – typischerweise mindestens um den Faktor 10.

Natürlich gelten auch hier Media-Mixeffekte und Grenznutzeneffekte, allerdings spielen noch andere Einflüsse eine Rolle.

So weist der SEM-ROI im Fall von sieben betrachteten Modellen im Bereich Telekommunikation einen ROI auf, der im Durchschnitt der Fälle fast 29-mal über dem der restlichen Medien (hier: TV, PZ, TZ, Plakat und OL-Display) liegt.

Einfluss der Medien auf die Entwicklung der Suchanfragen

Um zu verstehen, wie die hohe Wirkung von SEM zustande kommt, kann als Indikator die Entwicklung des Google-Suchindex für die verwendeten Begriffe untersucht werden. Ein exemplarisches Modell für die Entwicklung der Suchanfragen (hier: Suche nach dem Markennamen) zeigt, dass in diesem Fall immerhin 32 % der Entwicklung des Suchindex durch Medien angestoßen wurden. Dieser Effekt kann als indirekter Effekt für die Betrachtung der Effizienz klassischer Medien berücksichtigt und in die Berechnung des ROIs einbezogen werden.

In allen bisher untersuchten Fällen zeigt sich, dass bis zu 50 % der Entwicklung des Suchindex durch Medien erklärt wird – die Google- Suchen werden also zu einem erheblichen Teil durch Werbung angestoßen.

2.2 "Earned" und "Owned Media"

Durch die zunehmende Digitalisierung und Ausbreitung von Social Media rücken neben den klassischen Medien („Paid Media“) immer mehr erworbene Medien („Earned Media“ – was über die Marke gesprochen wird) und eigene Medien („Owned Media“ – z. B. die eigene Webseite) in den Fokus. 

Auch diese Effekte lassen sich inzwischen durch Modelling nachweisen. Ein guter Indikator für die Entwicklung von „Earned Media“ ist der BrandIndex des Instituts YouGov. Dort wird seit Mitte 2013 der sog. „WOM Exposure“ erhoben („Über welche Marken haben Sie in den vergangenen zwei Wochen mit Ihrer Familie oder Freunden gesprochen egal ob persönlich, online oder über soziale Netzwerke). Als weiterer Indikator für „Earned Media“ kann wiederum der Google-Suchindex herangezogen werden.

Owned Media lässt sich gut durch die Entwicklung der Webseiten- Visits abbilden. 

Wirkung auf die Weiterempfehlungsbereitschaft eines DienstleistersWirkung auf die Weiterempfehlungsbereitschaft eines Dienstleisters

Im konkreten Beispiel wurde für einen Dienstleister untersucht, wie klassische Medien auf „Earned“ und „Owned“ Media wirken und wie „Earned“ und „Owned“ in Kombination mit klassischen Medien auf eine Zielgröße wirken. Im konkreten Fall wurde die Zielgröße „Re- commendation“, ebenfalls aus dem YouGov-BrandIndex (Marken- kenner, die eine Marke im positiven Sinne weiterempfehlen würden), als letzte Stufe herangezogen, wobei natürlich alternativ auch Sales eine geeignete Zielgröße darstellt.

Die einzelnen Stufen wurden modelliert und die Modelle miteinander zu einem mehrstufigen Modell verbunden.

Im Ergebnis zeigt sich, dass Paid Media (hier: TV, Online, Radio und TZ) die einzelnen Stufen direkt beeinflussen. Earned und Owned werden also durch klassische Medien beeinflusst, allerdings wirken sie selbst auf die Entwicklung der Zielgröße (hier: Weiterempfehlung). Paid Media beeinflusst die Entwicklung der Zielgröße direkt zu 14,4 %. Rechnet man die indirekten, die durch die Wirkung von Owned und Earned, die wiederum durch Paid beeinflusst sind, auf die Zielgröße mit ein, so ergibt sich hier ein weiterer Beitrag durch Paid Media in Höhe von 8,4 %.

2.3. Fazit

Ökonometrisches Modelling ist und bleibt das Mittel erster Wahl, die Beiträge durch Marketing und Media zu bestimmen – seien es klassische oder digitale Medien. So wie die digitalen Medien eine immer größere Rolle im Media-Mix einnehmen, so werden sie auch im immer stärkeren Maß im Modelling berücksichtigt. Über „Paid Media“ – sei es klassisch oder digital – ist es allerdings inzwischen auch möglich, Effekte durch „Earned Media“ und „Owned Media“ abzubilden.

Im Ergebnis zeigen konkrete Projekte, dass sich die Wirkung von "Owned" und"Earned" Media nachweisen lässt. Es zeigt sich darüber hinaus, dass "Paid Media" maßgeblich an der Entwicklung von "Earned und "Owned" beteiligt ist. Rechnet man diesen indirekten Einfluss durch "Paid Media" mit ein, so ergibt sich noch einmal ein nennenswerter zusätzlicher Beitrag.

Quellennachweis
1 Pearson, K., On the generalizied probable in multiple normal correlation. Biometrika,6,59-68,1908.
2 Mehr zur Geschichter der Ökonometrie z.B. bei Morgang, M.,The history of econometric ideas. First Edition. Cambridge: Cambridge University Press 1990.
3 Briadbent, S., One Way TV Advertisements Work, Journal of the Market Research Society Vo. 23 No.3, 1979
4 Du-Pont-Kennzahlensystem, vgl. Staehle, W., Kennzahlen und Kennzahlensysteme als Mittel der Organisation und Führung von Unternehmen, überareitete Auflage, Wiesbaden: Springer 1973,S.224
5 Vgl.Wildmann, L., Einführung in die Volkswirtschaftslehre,Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik: Module der Volkswirtshcaftslehre Band I: Module der Volkswirtschaftslehre I, 2. Auflage, München:Oldenbourg 2010, S. 135f.

Quelle: OMG Jahrbuch Forum Werbewirkung, September 2014

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